warten, wiederholen, abstrahieren
Manuela Ammer, 2008
Wo wird Zeit räumlich, und wann wird Raum zeitlich? An welchen Orten hausen Gefühl und Erinnerung? Und wie sind Bedeutungen beschaffen? Um diesen Fragen Raum zu geben, stellen kozek hörlonski in Performances und Installationen spezifische Zustände her. In „The Hanging Gardens“ (2005/06) beispielsweise inszenierten sie das WARTEN. Sie errichteten eine Konstruktion, die gleichermaßen Galgen wie Schaukel war, und verbrachten mehrere Stunden am Stück auf dem Schaukelbrett, während sie mit Stricklieseln an einem roten Seil knüpften. Die meditative Schaukelbewegung – gleich dem Pendel einer Uhr – und der stetig wachsende Strick markierten das Verstreichen von Zeit. Gleichzeitig waren sie Ausdruck stillen Protests und stiller Trauer für die öffentliche Hängung zweier junger iranischer Homosexueller, deren Schicksal mittels Fotografien in der Installation präsent war. Der (In-)Aktivität des Wartens wurde in „The Hanging Gardens“ räumlich Ausdruck verliehen. Gegenwart wurde nicht repräsentiert, sondern produziert. Mit kozek hörlonski zu warten, bedeutete Teil eines Ereignisses zu sein, das sich herkömmlichen narrativen Strukturen entzog. Ihre Performance stellte sich als Störung im Fluss von Angebot und Nachfrage dar, als Fehlstelle im ökonomischen und sozialen Austausch. Eine dem Warten verwandte Technik, der kozek hörlonski sich immer wieder bedienen, ist die WIEDERHOLUNG. Wie das Warten birgt die Wiederholung nicht nur rituelles, sondern auch reflexives Potenzial. Die Wiederholung erzeugt Rhythmus und kreiert Muster, sie entkleidet Gesten ihrer Originalität und bricht das kausale Verhältnis zwischen Akteuren und ihren Handlungen auf. In „level zer0“ (2004) etwa wurden die sozialen Prozesse innerhalb eines Museumsgebäudes zum Gegenstand spielerischer Repetition. Die kontinuierlich wechselnden Zahlenkombinationen der digitalen Anzeige der Personenaufzüge dienten als Basis eines Handlungsablaufes, der die vertikale Ausrichtung der Architektur sowie die Bewegung ihrer BenutzerInnen in ein abstraktes Bild übersetzte. Auf einer horizontalen Fläche, deren Markierungen an einen Sportplatz oder Turnsaal denken ließen, arrangierten kozek hörlonski spielfigurenähnliche Objekte entsprechend der Aufzugsanzeige. Für die BeobachterInnen des mehrstündigen Vorganges entstand der Eindruck einer Ordnung, deren Logik sich dem Zugriff von außen entzog. Die Wiederholung diente dabei als Mittel zur Bedeutungssteigerung, sie machte das Ereignis zu etwas Gewolltem im Unterschied zum zufällig Passierten. Lässt sich die Bedeutung eines Ereignisses jedoch nicht entschlüsseln, so bleibt die Frage nach der Konstitution von Bedeutung selbst und nach der Beziehung von Zeichen und Bezeichnetem. Dies führt uns zu einer dritten ‚rhethorischen Figur‘, die kozek hörlonski einsetzen: die ABSTRAKTION. Viele ihrer Arbeiten können als Versuche betrachtet werden, ausgehend von konkreten Objekten oder Vorgängen grundlegende Prinzipien zu erschließen. Die ritualisierten Handlungsabläufe, die Markierung von ‚Spielfeldern‘, der Einsatz von ‚Stellvertreter-Objekten‘ – all dies verleiht den Performances und Installationen den Charakter von Modellen oder Versuchsanordnungen, deren Regelwerk mit dem der Realität verwandt, jedoch nicht ident ist. Neben „level zer0“ veranschaulichte dies am augenfälligsten „fo-box“ (2003), dessen Grundidee an das einfache Taktikbrettspiel „Fuchs und Henne“ angelehnt war. Es gab eine Spielfläche, die – wie in allen anderen Arbeiten kozek hörlonskis – die umgebende Architektur reflektierte, und es gab Akteure, die die Rollen „Fuchs“, „JägerIn“ und „Referee“ verkörperten. Die Jagd selbst ging mit Fotoapparat, Videokamera und Skizzenblock vonstatten; ausreichend Bildmaterial des Fuchses bedeutete sein Todesurteil. Stärker als spätere Arbeiten lädt „fo-box“ zur Auflösung des Rätsels ein und lässt sich als Kommentar zum Kunstsystem und seiner fatalen Wirkung als Bilderproduzent lesen. Die Raumzeitbilder, die kozekt hörlonski produzieren, sind jedoch von weniger drastischer Konsequenz. In der Überhöhung alltäglicher Phänomene wirken sie eher wie Risse im Vertrauten, die den Blick auf dahinter liegende Prinzipien preisgeben. Dabei werden niemals universale Wahrheiten behauptet. Im Gegenteil: Die Arbeiten von kozek hörlonski erscheinen immer persönlich, manchmal beinahe intim. Ihre Kraft liegt weniger in der Eindeutigkeit von Aussagen denn im Schaffen von Situationen, in denen eben gerade kein System von Vereinbarungen und Repräsentationen greift. Auf materiell-visueller Ebene sind es die Arbeit mit Wachs, die Androgynität der handelnden Figuren, die wichtige Rolle von Ton und Licht, die der Instabilität und Variabilität von Bedeutungsökonomien Rechnung tragen. In den besten Momenten erscheinen uns die Ordnungssysteme, die unser Leben bestimmen, nicht weniger fremd und rätselhaft als diejenigen, mit denen uns die Arbeiten von kozek hörlonski konfrontieren.
Manuela Ammer im Katalog "kozek hörlonski - I kissed you in the water ...", gugler forum melk, Melk 2008