kozek hörlonski

Performative Skulpturen

Rainer Fuchs, 2008

kozek hörlonski verbinden in ihren Arbeiten gegensätzlich konnotierte Kategorien, Medien und Begriffe, um sie ineinanderzublenden und als relational zu bestimmen. In ihren zugleich bildhaft installativ und zeitlich performativ angelegten Arbeiten konvergieren Bewegung und Stillstand, Zeit und Raum, Licht und Dunkel. Das zentrale Motiv, das als Scharnier für diese Zusammenführung des scheinbar Konträren dient, ist die Wiederholung. In Form der zirkulären Wiederkehr von Handlungsstrukturen inszenieren die beiden Künstler in sich kreisende Bewegungen, peilen sie gerade durch das Insistieren auf zeitlichen Verlauf und dessen Visualisierung einen Zustand der Zeitlosigkeit an, der Performer und Betrachter gleichermaßen umfängt: „In mehrstündigen Inszenierungen verschmelzen Personen, Handlungen und Objekte zum Raumbild. Die Arbeiten sind (...) Skulpturen in beweglichen Systemen. Raum definiert sich dabei nicht nur materiell, sondern genauso in zeitlichen Abläufen.“ (kozek hörlonski) Die Performance als ephemere Skulptur, der Raum als zeitliches Phänomen und die Produktion als Rezeptionsereignis umschreiben ein Szenario wechselseitiger Durchdringungen des Unterschiedlichen sowie das bewusste Unterlaufen polarisierender Begrifflichkeit.

Beispielhaft für die zirkuläre Choreographie mit sich wiederholenden und ineinander verzahnten Handlungen ist die Arbeit „snooze“, eine Performance, die zugleich als Rauminstallation angelegt war. In einem in Weiß gehaltenen Interieur, das wie eine Bühne von der Straße aus einsehbar war, vollzogen sich zyklisch ineinander greifende Szenen: während der eine Protagonist jeweils einen Bettvorleger von einem Kleiderständer abnahm, ihn liebevoll am Boden faltete und mit Flüssigkeit benetzte, trank der Andere, auf einem Sessel vor einem Waschbecken in der Ecke sitzend, Wasser, das ihm dann in Form des Urins vom anderen abgezapft und in Becher gefüllt wurde. Der zuvor Urinierende trug dann den gefalteten Bettvorleger vor die Tür, um sich danach wieder zum Trinken zu begeben. Dieser Ablauf wurde so lange wiederholt, bis alle Bettvorleger hinausgetragen waren. Die Akteure gerieten dabei in einen real zeitlichen Loop. Das Trinken, Urinieren und Abfüllen durchdrang bzw. umschloss wie eine repetitive Schleife ihre Körper und verband sie mit dem Raum. Das Entleeren des Körpers von Flüssigkeit und das Entleeren des Raumes von den genässten Bettvorlegern erschienen wie ineinander greifende und einander kommentierende Rituale.

Während der Performance waren geloopte Schlummergeräusche zu hören, die einen Zustand zwischen Schlafen und Wachen vermittelten– eine ebenfalls im Zusammenhang mit der bewussten Dekonstruktion polar dualer Vorstellungswelten zu sehende Maßnahme. Zudem erschien das Ganze in der Betrachtung von außen wie ein von Glas abgeschirmtes tableau vivant von traumhaft traumatischer Handlung, in der das klinisch Aseptische sich mit dem organisch Körperhaften verband.

In „time“ wurde das Motiv der Wiederholung in Form eines Rotationsprinzips von Rollenverteilungen erprobt. Dort bespielten drei Protagonisten– ein Sänger, ein als Einpersonenorchester ausgewiesener Darsteller und ein Ordner – an jeweils dafür eingerichteten Stationen einen zur Bühne umfunktionierten Raum. Im Reigen des Identitätswechsels spielte hier jeder auch die Rolle des anderen. Während gewöhnlich Darsteller in die Rolle anderer schlüpfen, um so sehr darin aufzugehen, dass auch der Zuschauer dieser Illusion verfällt, wurde hier dieser Aspekt der Verstellung und Täuschung sichtbar und transparent gemacht, also in wahrnehmbarer Schwebe gehalten. Identität wurde so als Folge eines Wechselbezuges erfahrbar, in dem Dieselben immer auch Andere sind, bzw. in dem das Durchlaufen des Anderen als Voraussetzung jeder Selbstbestimmung aufscheint. Das Vergehen von Zeit wurde damit als zirkuläres Geschehen im buchstäblichen und übertragenen Sinn verstehbar. Man könnte den hier offen gelegten Mechanismus mit grundlegenden Abläufen, wie jenen der Tages- und Jahreszeiten vergleichen, die mit ihrem Wechsel von Hell und Dunkel, von Kälte und Wärme die Kontinuität und Progression der Zeit als eine Art in sich kreisende Spirale erfahrbar machen. Entscheidend war dabei aber auch, dass die Definition von Zeit in der Rotation der Handlungen im Gegenuhrzeigersinn erfolgte und so der bloß linear progressiven Vorstellung von Dauer und Verlauf bewusst widersprochen wurde. Rotation und Wiederholung umschrieben mit ihrer Gleichförmigkeit und Berechenbarkeit auch Motive der Sicherheit und Vergewisserung im grundsätzlich Unabwägbaren, Unvorhersehbaren und Bedrohlichen der Zeit. „Angestrebt wird bei dieser Zeitmaschine ein Zustand der Aufgehobenheit durch die Sicherheit der Wiederholung. Diese bietet sowohl den Zuschauern als auch den Akteuren die Möglichkeit, an Zeitgrenzen zu stoßen und Zeitlosigkeit zu erleben.“ (kozek hörlonski) „Zeitlosigkeit“ erschließt sich hier aus der expliziten Thematisierung und Problematisierung von Zeit und Dauer. In der dialektischen Begriffswelt von kozek hörlonski umschreibt diese „Zeitlosigkeit“ keine ahistorisch überzeitliche Kategorie, sondern vermag im Gegenteil zum Resonanzraum von Geschichte zu werden.

Deutlich wird dies in der unter dem Titel „hängende Gärten“ realisierten Performance. Die Künstler konstruierten dafür eine Schaukel, die einem Galgengerüst ähnelte. Indem sie sich darauf setzten und an einem wollenen Strang strickten, schufen sie nicht nur ein materialisiertes Sinnbild zeitlichen Vergehens, sondern verwiesen mit der Galgenform und den integrierten Porträtfotos zweier, aufgrund ihrer homoerotischen Beziehung hingerichteter iranischer Jugendlicher auf ein gesellschaftsgeschichtliches Drama. In der monotonen Wiederholung der Schaukelbewegung, die wie der Takt einer Uhr Dynamik und Gleichförmigkeit zugleich vermittelte, wurde so eine „Zeitlosigkeit“ inszeniert, die eine konkrete zeitgeschichtliche Situation beinhaltete und der Interpretation der Betrachter überantwortete. Das im Schaukeln und Stricken versinnlichte Wiederholungshandeln bedeutete so das Wachhalten von Erinnerungen als kritischer Instanz jenseits träumerisch weltflüchtigen Phantasierens. Ferner rhythmisiert wurde die Performance durch eine Lichtregie, die nicht die Szene selbst beleuchtete, sondern den Wechsel von Hell und Dunkel in die Installation selbst verlagerte. Wenn die Lichter unter der Schaukel eingeschaltet waren, ein stroposkopartiges Licht das Deckengemäldebeleuchtete und das Raumlicht zugleich erlosch, erschien die Szene in eine gespenstisch flackernde Atmosphäre getaucht, die das Bild und Momenthafte im Prozessualen akzentuierte.

Die Flüchtigkeit des Lichts als Sichtbarkeitsgaranten von Zeit und Raum, sowie die Dialektik von Monotonie und Dynamik kennzeichnet auch die Arbeit „lichtsensation“. In der unter Ausschluss der Öffentlichkeit durchgeführten, auf Video aufgezeichneten Aktion nutzten kozek hörlonski den Übergang von Tag und Nacht, von natürlicher und künstlicher Beleuchtung und knüpften das Verlöschen des Tageslichtes an das Auslöschen von Sprache: Sie verwendeten dafür die gläserne Balkontür einer leer stehenden Wohnung, durch die das Licht und der Lärm der Straße ins Rauminnere drangen.Während das künstliche Licht der nächtlichen Strasse das Tageslicht allmählich ablöste, schrieben sie abwechselnd mit schwarzem Stift Gedanken zum himmlischen Jerusalem auf die Scheibe und strichen dann diese Zeilen immer wieder durch, sodass die Glasscheibe allmählich wie von einem schwarzen Film überlagert schien. Im allmählich verdämmernden Raum setzten sich die Künstler einem von Alltagsgeschwätzigkeit und Ablenkungen entleerten Zeiterleben aus, wodurch wiederum eine „Zeitlosigkeit“ erfahrbar wurde, bzw.ausgehalten werden musste, die sich zugleich als denkbar intensive Erfahrung von Zeit umschreiben lässt.

Etwas von seinem Verlust her zu denken, es in seiner Abwesenheit und seinem Verschwinden zu erinnern und damit erneut in den Blick zu rücken schien hier gleichsam als Subtext auf. „lichtsensation“ zitiert aber auch einen Begriff, der sich auf Lichterscheinungen bezieht, die in der Vorstellung existieren, ohne in der Realität eine Entsprechungzu finden. Dieser Effekt kann bei Müdigkeit und Erschöpfung eintreten, also in Zuständen, die an das Dunkle und Nächtliche erinnern, wenn das künstliche Licht das natürliche ersetzt.

Licht als raum- und zeitbeschreibendes Medium, als Indikator aller Sichtbarkeit selbst sichtbar und bewusst erfahrbar zu machen, unternahmen kozek hörlonski auch in der Rauminstallation „m to an end“. Dafür verwendeten sie verschiedene Sockel aus dem Requisitendepot einer Galerie, kippten sie um und installierten in die nun einsehbaren Hohlräume farbige Lichtquellen. Damit verwandelten sie die Skulpturenträger in Lichtskulpturen, denen etwas Bewegliches und Instabiles anhaftete und die den Raum in einen zwischen Hell und Dunkel changierenden Container transformierten.

Beleuchtet und in farbiges Licht getaucht wurde nicht nur der Raum, sondern auch die einstige Verwendung dieser Sockel. Gerade durch die in mehrfachem Sinn aus dem Lot gebrachte Funktion der Postamente und ihre Mobilität konnte die Erinnerungan ihre Geschichte als Ausstellungsmobiliar in Erscheinung treten.Wiederum schien sich der Ausstellungsraum in einen Bühnenraum zu verwandeln, in dem sich ein Stück abspielte, das die Betrachter zu angestrahlten und Schatten werfenden Mitspielern bestimmte. Das eingangs zitierte „Raumbild“, in dem Objekte und Betrachter miteinander verschmelzen, weiters die Vorstellung, dass zeitliche Prozesse die Wahrnehmung und Gestalt des Raumes mitbestimmen und schließlich, dass ihre Arbeit generell als bewegliche, performative Skulptur aufzufassen ist, dies alles scheint in der mobilen, illuminierten Sockelinstallation auf schwebend luzide Weise miteinander verwoben und sinnbildlich verdichtet.

Rainer Fuchs im Katalog "kozek hörlonski - I kissed you in the water...", gugler forum melk, 2008

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