past forward - 100 Jahre Kunstverein Baden
kozek hörlonski, 2016
Im Jahr 2015 feiert der Kunstverein Baden sein 100-jähriges Bestehen. Erste Ausstellungen wurden bereits 1916 organisiert.
Die Entwicklung des KV Baden seit dem Entstehungsjahr war eine durchaus wechselvolle, es gibt Lücken und Umbrüche in seiner Geschichte. So beschreibt etwa die als Badener Zuckerln betitelte Reihe des Stadtarchivs Baden in der Ausgabe Nr. 4 eine „Badener Sezession“ im Jahre 1932, in der es folglich zur ersten Spaltung kam. 1938 wird selbst der „Zentralverband bildender Künstler Österreichs“ aufgelöst und an seine Stelle tritt eine
„Reichskammer der bildenden Künste Niederdonau“. Ausstellungen gibt es in dieser destruktiven Zeit nur wenige. Erst 1953 wird der Verein wieder als Einheit aktiv und arbeitet seither ununterbrochen an einer künstlerischen Bereicherung für die Stadt. Seit 1995 steht dem Verein ein architektonisch spannender Ausstellungsraum zur Verfügung: die Galerie mit der Adresse Beethovengasse 7 im Zentrum von Baden.
Ode an die Freude – lesbar nur wenige Schritte von der heutigen Galerie entfernt und im „Haus der Neunten“ komponiert: eine Sinfonie, eine Hymne, ein Chor, Vielstimmigkeit – die Idee zur Jubiläumsedition des Kunstvereins wird zum Konzept einer inklusiven Technik mit aktiven und fördernden Mitgliedern. Interviews bringen uns die Künstlerinnen und Förderinnen näher, eine Aufzeichnung der vielen Stimmen mit einem Becher-Phonographen nach dem Edison-Prinzip ermöglichen uns, 100 Jahre Vereinstätigkeit akustisch-ästhetisch zu verhandeln. Ein Becher vereint uns oft auch bei den zahlreichen
Eröffnungen in der Kunstwelt, durch die Einschreibung des Schalls wird dieser individuell, und die Stimme klingt verstörend schön wie aus einer längst vergangenen Zeit. Der durchsichtige Plastikbecher transformiert sich zu einer schwarzen Vinylschallplatte, auf der auch die Rillen sichtbar bleiben. Konzept braucht Material. Past forward: Wir beharren nicht auf den alten Zeiten, gedenken dieser aber, arbeiten selbstverständlich mit der technischen Entwicklung und lassen uns auf eine immer unbekannte Zukunft ein.
Die A-Seite der vorliegenden Platte behandelt das gesammelte Tonmaterial von Aufnahmen mit dem Becher-Phonographen bis zu Fragmenten aus den digital aufgezeichneten Interviews der aktiven Mitglieder im Kunstverein Baden. Geordnet nach deren Lieblingsfarben, generiert es eine Soundcollage und macht ein zeitgenössisches abstrahiertes Chorstück der Mitglieder hörbar. Ein Kinderlied schließlich mahnt uns experimentell zu bleiben und lässt ebenso an die ersten Schritte im Vereinsleben denken.
Die B-Seite ist allen bisherigen Mitgliedern gewidmet. Ihre Namen sind alphabethisch geordnet auf Notenblätter notiert, jedem Buchstaben ist eine Note zugeschrieben – nach dem einfachen ABC-Lied, dessen Melodie bereits Mozart in seinen zwölf Variationen Ah, vous dirai-je, Maman (KV 265/300e) als Grundlage diente. Diese „Partitur“ ist Basis zweier Kompositionen: eines Stücks, in dem aus der Erinnerung die Partitur zu Vogelgezwitscher gesummt wird, sowie eines zweiten Stücks, in dem die gesamte Partitur vorwärts und
rückwärts gespielt alle Mitglieder schier unendlich kreisen lässt.
Thomas Hörl und Peter Kozek aka kozek hörlonski
Baden und Wien im Juli 2016